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Heidegger: Cassirer hat in dem ersten Vortrag die Ausdrücke gebraucht: Terminus a quo und terminus ad quem. Man könnte sagen, daß der terminus ad quem bei Cassirer das Ganze einer Kulturphilosophie ist im Sinne einer Aufhellung der Ganzheit der Formen des gestaltenden Bewußtseins. Der terminus a quo bei Cassirer ist vollkommen problematisch. Meine Position ist umgekehrt: Der terminus a quo ist meine zentrale Problematik, die ich entwickle. Die Frage ist: Ist der terminus ad quem bei mir so klar? Der besteht für mich nicht in dem Ganzen einer Kulturphilosophie, sondern in der Frage: τí τò ðv; bzw.: Was heißt überhaupt Sein? Von dieser Frage her, einen Boden zu gewinnen für das Grundproblem der Metaphysik, ist für mich die Problematik einer Metaphysik des Daseins erwachsen. Oder um noch einmal zum Kern der Kantinterpretation zu kommen: Meine Absicht war nicht die, gegenüber einer erkenntnistheoretischen Interpretation etwas Neues zu bringen und die Einbildungskraft zu Ehren zu bringen, sondern es sollte klar werden, daß die innere Problematik der Kritik der reinen Vernunft, d. h. die Frage nach der Möglichkeit der Ontologie, zurück drängt auf eine radikale Sprengung desjenigen Begriffs im traditionellen Sinne, der für Kant der Ausgang war. Im Versuch der Grundlegung der Metaphysik wird Kant dazu gedrängt, den eigentlichen Boden zu einem Abgrund zu machen. Wenn Kant sagt: Die drei Grundfragen lassen sich zurückführen auf die vierte: Was ist der Mensch?, so ist diese Frage in ihrem Fragecharakter fraglich geworden. Ich versuchte zu zeigen, daß es gar nicht so selbstverständlich ist, von einem Begriff des Logos auszugehen, sondern daß die Frage der Möglichkeit der Metaphysik eine Metaphysik des Daseins selbst fordert als Möglichkeit des Fundaments einer Frage der Metaphysik, so daß die Frage, was der Mensch sei, nicht so sehr beantwortet werden muß im Sinne eines anthropologischen Systems, sondern erst eigentlich geklärt werden muß hinsichtlich der Perspektive, in der sie gestellt sein will.
Und da komme ich auf die Begriffe terminus a quo und terminus ad quem zurück. Ist das nur eine heuristische Fragestellung, oder liegt es im Wesen der Philosophie selbst, daß sie einen terminus a quo hat, der zum Problem gemacht werden muß, und daß sie einen terminus ad quem hat, der in einer Korrelation zum terminus a quo steht? Diese Problematik scheint mir in der bisherigen Cassirerschen Philosophie noch nicht klar herausgeprägt zu sein. Es kommt Cassirer zuerst darauf an, die verschiedenen Formen der Gestaltung herauszustellen, um dann im Hinblick auf diese Gestaltungen nachträglich eine gewisse Dimension der gestaltenden Kräfte selbst auszuführen. Nun könnte man sagen: Also ist diese Dimension doch im Grunde dasselbe wie das, was ich das Dasein nenne. Aber das wäre irrig. Der Unterschied ist am deutlichsten am Begriff der Freiheit. Ich habe gesprochen von einer Befreiung in dem Sinne, daß die Befreiung der inneren Transzendenz des Daseins der Grundcharakter des Philosophierens selbst ist. Wobei der eigentliche Sinn dieser Befreiung nicht darin liegt, frei zu werden gewissermaßen für die gestaltenden Bilder des Bewußtseins und für das Reich der Form, sondern frei zu werden für die Endlichkeit des Daseins. Gerade hineinzukommen in die Geworfenheit des Daseins, hineinzukommen in den Widerstreit, der im Wesen der Freiheit liegt. Die Freiheit habe ich mir nicht selbst gegeben, obwohl ich durch das Freisein erst ich selbst sein kann. Aber ich selbst nun nicht im Sinne eines indifferenten Explizierungsgrundes, sondern: Das Dasein ist das eigentliche Grundgeschehen, in dem das Existieren des Menschen und damit alle Problematik der Existenz selbst wesentlich wird.
Von da aus, glaube ich, kann man die Antwort geben auf die Frage von Pos nach der Übersetzung. Ich glaube, daß das, was ich mit Dasein bezeichne, sich nicht übersetzen läßt mit einem Begriff Cassirers. Würde man Bewußtsein sagen, so ist das gerade das, was von mir zurückgewiesen wurde. Was ich Dasein nenne, ist wesentlich mitbestimmt nicht nur durch das, was man als Geist bezeichnet, und nicht nur durch das, was man Leben nennt, sondern worauf es ankommt, ist die ursprüngliche Einheit und die immanente Struktur der Bezogenheit eines Menschen, der gewissermaßen in einem Leib gefesselt ist und in der Gefesseltheit in den Leib in einer eigenen Gebundenheit mit dem Seienden steht, inmitten desselben sich befindet, nicht im Sinne eines darauf herabblickenden Geistes, sondern in dem Sinne, daß das Dasein, inmitten des Seienden geworfen, als freies einen Einbruch in das Seiende vollzieht, der immer geschichtlich und in einem letzten Sinn zufällig ist. So zufällig, daß die höchste Form der Existenz des Daseins sich nur zurückführen läßt auf ganz wenige und seltene Augenblicke der Dauer des Daseins zwischen Leben und Tod, daß der Mensch nur in ganz wenigen Augenblicken auf der Spitze seiner eigenen Möglichkeit existiert, sonst aber inmitten seines Seienden sich bewegt.
Die Frage nach der Seinsart dessen, was in seiner Philosophie der symbolischen Form steckt, die zentrale Frage nach der inneren Seinsverfassung ist es, was die Metaphysik des Daseins bestimmt — und sie bestimmt nicht in Absicht auf eine vorgegebene Systematik der Kulturgebiete und der philosophischen Disziplinen. Ich lasse in meiner ganzen philosophischen Arbeit die überlieferte Gestalt und Einteilung der philosophischen Disziplinen vollkommen dahingestellt, weil ich glaube, daß die Orientierimg an diesen das größte Verhängnis ist in der Richtung, daß wir nicht mehr zurückkommen zur inneren Problematik der Philosophie. Sowohl Plato wie Aristoteles wußten nichts von einer solchen Einteilung der Philosophie. Eine solche Einteilung war Angelegenheit der Schulen, d. h. einer solchen Philosophie, der die innere Problematik des Fragens verloren gegangen ist; und es bedarf der Anstrengung, diese Disziplinen zu durchbrechen. Und zwar darum, weil wir, wenn wir durch die Disziplinen der Ästhetik usw. hindurchgehen, wir wieder zurückkommen auf die spezifisch metaphysische Seinsart der betr. Gebiete. Die Kunst ist nicht nur eine Form des sich gestaltenden Bewußtseins, sondern die Kunst selbst hat einen metaphysischen Sinn innerhalb des Grundgeschehens des Daseins selbst.
Diese Unterschiede habe ich mit Absicht herausgehoben. Der sachlichen Arbeit ist es nicht dienlich, wenn wir zu einer Nivellierung kommen. Vielmehr, weil nur durch die Schärfe der Herausstellung das Problem an Klarheit gewinnt, so möchte ich noch einmal unsere ganze Diskussion in das Zeichen von Kants Kritik der reinen Vernunft stellen, und noch einmal die Frage, was der Mensch sei, als die zentrale Frage fixieren. Zugleich aber als die Frage, die wir nicht in irgend einem isoliert ethischen Sinne stellen, sondern, damit aus der Problematik beider Stellungen deutlich wird, daß die Frage des Menschen für den Philosophen nur wesentlich ist in der Weise, daß der Philosoph schlechthin von sich selbst absieht, daß die Frage nicht anthropozentrisch gestellt werden darf, sondern daß gezeigt werden muß: Dadurch, daß der Mensch das Wesen ist, das transzendent, d. h. offen ist zum Seienden im Ganzen und zu sich selbst, daß der Mensch durch diesen exzentrischen Charakter zugleich auch hineingestellt wird in das Ganze des Seienden überhaupt — und daß nur so die Frage und die Idee einer philosophischen Anthropologie Sinn hat. Nicht in dem Sinne, daß man den Menschen empirisch als gegebenes Objekt untersucht, auch nicht so, daß ich eine Anthropologie des Menschen entwerfe, sondern die Frage nach dem Wesen des Menschen hat einzig nur den Sinn und das Recht, daß sie motiviert ist aus der zentralen Problematik der Philosophie selbst, die den Menschen über sich selbst hinaus und in das Ganze des Seienden zurückzuführen hat, um ihm da bei all seiner Freiheit die Nichtigkeit seines Daseins offenbar zu machen, eine Nichtigkeit, die nicht Veranlassung ist zu Pessimismus und zum Trübsinn, sondern zum Verständnis dessen, daß eigentliches Wirken nur da ist, wo Widerstand ist, und daß die Philosophie die Aufgabe hat, aus dem faulen Aspekt eines Menschen, der bloß die Werke des Geistes benutzt, gewissermaßen den Menschen zurückzuwerfen in die Härte seines Schicksals.
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